Mal wieder aus Versehen einen Newsletter abonniert, der gar nicht abonniert werden sollte? Oder einen langatmigen Abo-Kündigungsprozess durchgemacht? Wir alle kennen diese nervigen Probleme. Schuld daran sind (zumindest hauptsächlich) nicht wir selbst, sondern clevere User Experience (kurz UX) Designer*innen, die bewusste Manipulation einsetzen, um uns dazu zu bringen Dinge zu tun, die wir eigentlich gar nicht tun möchten. Immer mehr Webseiten nutzen solche Tricks. Das geht so weit, dass die Verbraucherzentrale künftig Schritte dagegen einleiten möchte. Doch ist so eine Manipulation nicht eigentlich illegal? Und können wir uns davor schützen?
Update 23.11.2021
Schon länger sind Dark Patterns im Visier der Verbraucherzentrale. Nun geht es noch einen Schritt weiter, denn die Europäische Union plant im Rahmen ihres „Digitale-Dienste-Gesetzes“ unter anderem auch ein Verbot von Dark Patterns, wie netzpolitik.org berichtet. Anbieter von Onlinemarktplätzen dürfen dann ihre Benutzeroberflächen nicht so gestalten, dass sie Nutzer*Innen absichtlich täuschen oder manipulieren.
Das Digitale-Dienste-Gesetz ist ganz im Sinne des Verbraucherschutzes, denn es geht auch um Algorithmen, Wettbewerb und illegale Inhalte wie Hassrede. Eine endgültige Einigung könnte es schon 2023 geben.
Was sind Dark Patterns?
Dark Patterns sind manipulative und irreführende Design-Tricks, die unser Klickverhalten beeinflussen sollen. Sie sollen uns in die Irre führen und uns zu etwas zu bringen, was wir gar nicht möchten. UX-Spezialist Harry Brignull hat den Begriff „Dark Patterns“ maßgeblich geprägt. Seine Webseite darkpatterns.org informiert über die verschiedenen Arten von Dark Patterns und bietet Hilfestellungen, wie man diese Patterns erkennt und überwindet. Einige Beispiele für Dark Patterns könnten zu kleine Schriftarten, farblich betonte Buttons oder undeutliche Formulierungen sein. Leider stoßen wir beinahe auf jeder Webseite, die wir besuchen, auf die manipulativen Design-Elemente. Klar, denn durch diese einfachen Tricks erschleichen sich Unternehmen und Webseitenbetreiber unsere Zustimmung, unsere persönlichen Daten und im Endeffekt auch unser Geld.
Wir tun Dinge, die wir nicht tun möchten
Dark Patterns sollen uns also dazu bringen Dinge zu tun, die wir nicht möchten. Das fängt bei harmlosen Sachen wie zum Beispiel einer längeren Verweildauer auf der Plattform an, geht über schon nervigere Situationen wie den Abschluss eines Newsletters den man gar nicht wollte, bis hin zu Extremfällen wie der unabsichtliche Kauf eines Produktes. Wie kommt es aber, dass wir uns manipulieren lassen? Dadurch, dass wir täglich auf vielen verschiedenen Webseiten unterwegs sind, haben sich bestimmte Verhaltensmuster etabliert.
Ein Popup versuchen wir intuitiv über ein „X“ in der oberen rechten Ecke zu schließen. Gibt es das nicht, suchen wir vielleicht einen „Schließen“-Button im unteren mittleren Bereich. In der Hast und aus Genervtheit lesen wir nicht richtig, klicken dann auf den prägnanten Button auf dem eigentlich nicht „Schließen“, sondern „Newsletter abonnieren“ steht. Das Studieren unserer Verhaltensmuster machen sich UX Designer*innen zu Nutze, um es für ihre Zwecke zu verwenden. Das funktioniert in der Praxis super. Im Folgenden haben wir ein paar Beispiele und Arten von Dark Patterns aufgelistet.
Beispiele und Arten von Dark Patterns
Es gibt verschiedene Dark Patterns Beispiele, die sehr häufig genutzt werden. Beispiele dafür finden wir nicht nur im Internet, sondern auch im Supermarkt: Die Märkte sind in der Regel so aufgebaut, dass man alle Regale ablaufen muss, günstigere Produkte befinden sich häufig in den unteren Reihen der Regale, sodass man sich bücken muss und an der Kasse finden sich nochmal Schokoriegel und Kaugummis, die wie von Zauberhand auch mit auf dem Band landen. Bezogen auf das Web gibt es unter anderem folgende konkrete Beispiele, die häufig genutzt werden:
Missverständliche Formulierungen
Dieser Fall tritt häufig bei Formularen in Form von doppelter Verneinung ein. So kann zum Beispiel in einer Checkbox stehen „Ich möchte den Newsletter nicht abonnieren“. Haken wir diese Checkbox nicht ab, weil wir aus Gewohnheit nur das Stichwort Newsletter lesen, sind wir in die Falle getappt.
Hervorhebung
Das Element, das ausgewählt werden soll, wird hervorgehoben. Sei es durch die Farbauswahl, durch Größe oder durch Animationen. Der Fokus wird auf die Aktion gelenkt und wir neigen dazu, das auszuwählen, was uns quasi auf dem Präsentierteller geliefert wird.
Kakerlaken-Falle
Das bezieht sich auf Situationen, in die man leicht herein gerät, aber nur schwer wieder herauskommt. Gemeint sind hier zum Beispiel Kündigungen von Abo-Modellen oder die Entfernung eines Kontos. Gemein wird es, wenn hier dann noch andere Dark Patterns zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel Irreführung durch Hervorhebung des "Abbrechen"-Buttons.
Voreinstellungen
Bei Cookie Consent Hinweisen ist es oft so, dass die Optionen, die für den Webseitenbetreiber am nützlichsten sind (meist Tracking), als Standardoptionen voreingestellt sind. Aus Bequemlichkeit drücken wir dann einfach auf „Alle Akzeptieren“, ohne uns zu informieren.
Warenkorb
Während des Kaufprozesses wird dem Warenkorb ein Artikel hinzugefügt. Das kann bei einem Tablet zum Beispiel die passende Schutzfolie dazu, eine Versicherung oder eine Verlängerung der Garantie sein. Schließen wir den Kaufprozess in Eile ab, übersehen wir das schnell und zahlen drauf.
Die Sache mit den Cookies
Spätestens seit der DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) und der damit verbundenen Cookie-Banner Pflicht springt uns auf jeder Webseite ein Cookie Consent Hinweis á la „Wir nutzen Cookies auf unserer Website“ entgegen. Diese Hinweise sind meist voller Dark Patterns. Durch Voreinstellungen und bestimmte Design-Entscheidungen werden sie so gestaltet, dass wir möglichst alle Cookies akzeptieren, die im Interesse des Webseitenbetreibers liegen. Das sind vor allem sogenannte „Cookies von Dritten“, die das Tracking des Userverhaltens erlauben. Nur durch Bestätigung des Cookie-Hinweises kann der Webseitenbetreiber nachvollziehen, welche Klicks durch uns getätigt wurden. Es wäre für den Betreiber also schön blöd, wenn wir die Speicherung von Cookies ablehnen würden. Und genau deshalb wird uns meist durch die Dark Patterns Arten Voreinstellung und Hervorhebung unterbewusst suggeriert, dass wir die Cookies akzeptieren sollen.
Ebenso spielt die Tatsache, dass wir sowieso mit viel zu vielen Informationen überflutet werden, eine große Rolle. Anstatt uns mit dem Inhalt der Cookie-Einstellungen auseinanderzusetzen (was viel zu viel Zeit kosten würde), akzeptieren wir lieber die Voreinstellungen mit einem Klick. Das spielt dem Webseitenbetreiber natürlich in die Hand. Außerdem ist diese Art der Manipulation für den Webseitenbetreiber einfach umzusetzen und erzielt den größten Effekt.
Ist das nicht illegal?
Diese Frage lässt sich leider nicht so einfach beantworten. Da es dieses Phänomen noch nicht so lange gibt, dauert es entsprechend lange, bis Gesetze und Richtlinien dafür ausgearbeitet werden. Außerdem verschwimmen hier die Grenzen zwischen bewusster Täuschung durch den Webseitenbetreiber und der Entscheidung des Nutzers aus freiem Willen. Im Endeffekt kann nicht genau festgestellt werden, ob ein Nutzer den Cookie Consent Hinweis jetzt nur akzeptiert hat, weil er durch Dark Patterns bewusst dazu gebracht wurde. So oder so ist die Verwendung von Dark Patterns in jedem Fall moralisch fragwürdig und ist tatsächlich schon auf den Schirm der Verbraucherzentrale gelandet. Zum Glück gibt es ein paar einfache Tipps die wir verfolgen können, um uns vor Dark Patterns zu schützen.
So können wir uns vor Dark Patterns schützen
Wissen
Wissen ist Macht. Das zählt auch bei Dark Patterns. Durch aufmerksames Lesen und dem Wissen, dass Online Shops und Webseiten so aufgebaut sind, dass sie uns zu einem Abschluss (sei es durch einen Kauf oder die Anmeldung für einen Newsletter) bringen sollen, können wir vielen manipulativen Designs entgegenwirken.
Aufmerksamkeit
Auch wenn wir es gewohnt sind, dass im Internet alles schnell geht und wir gerne mal genervt die Cookies akzeptieren, damit der Hinweis möglichst schnell verschwindet, lohnt sich in jedem Fall ein zweiter Blick darauf. Das gilt vor allem für Käufe, die wir in Online Shops tätigen. Gerade bei Buttons und Checkboxen in Formularen sollte man genau lesen und sich nicht von Farben irritieren lassen.
Information
Wir sollten uns regelmäßig über neue Tricks informieren. Die Internet-Welt ist schnelllebig und neue Design-Praktiken etablieren sich schnell, wenn sie Wirkung zeigen. Die Kleinen kopieren von den Großen. Informieren können wir uns zum Beispiel gut über den Twitter Account darkpatterns, der regelmäßig Beispiele für Dark Patterns teilt.
Melden
Die Verbraucherzentrale sammelt Hinweise zu Dark Patterns. Wir können dort manipulative Designs einreichen, wenn diese uns im Internet begegnen. Dafür hat der Bundesverband der Verbraucherzentrale eine eigene Seite angelegt. Je mehr Informationen die Verbraucherzentrale hat, desto besser kann sie im Interesse der Nutzer*innen agieren.
Dark Patterns melden
Fazit
Dark Patterns – jeder tut es, keiner spricht darüber. Gegen diese unangenehmen Muster hilft leider nur Wissen und Aufmerksamkeit. Fakt ist, dass es eine gesetzlich festgelegte Richtlinie braucht, inwieweit diese Manipulation gehen darf, um das Problem Dark Patterns in den Griff zu bekommen und uns Nutzer*innen zu schützen.